Die Wut, die bleibt

Autorin: Mareike Fallwickl

Der Paukenschlag erfolgt auf der ersten Seite aufgrund einer Frage des Ehemannes: „Haben wir kein Salz?“ und Helene hört darin die stillen Vorwürfe, die über sie einbrechen und verliert die Kraft und die Lust etwas zu erwidern, springt vom Balkon und setzt damit ihrer Überforderung ein Ende. Ihre Rolle übernimmt bedingungslos ihre beste Freundin Sarah. Sie fühlt sich verpflichtet, versucht die Leere zu füllen und antworten auf das Wieso in Helenes Reich zu finden. Sie macht einen Spagat zwischen Helenes Welt und ihrer eigenen.
Die fünfzehnjährige Tochter Lola wird als Frau erwachsen, wehrt sich mit allen Kräften dem gesellschaftlichen Frauenbild zu entsprechen.
Ein Erlebnis mit übergriffigen jungen Burschen, welches das Ohnmachtsgefühl, die Machtlosigkeit und die aufgezeigte Schwäche den Mädchen bewusst gemacht hat, lässt die beiden einen Selbstverteigigungskurs besuchen. In der Gruppe wird sie selbstbewusst und stark. Plötzlich findet sie es geil, so zu sein, wie niemand sie haben will. Ihre neue Weltanschauung kollidiert mit dem Frausein von Sarah! Als sich Sarah für den im Direktorat  verhandelten Ausraster von Lola gegenüber ihrer Lehrerin für diese stark macht und nach dem Warum sucht, ändert sich deren Verhalten zueinander. Mit dem Satz: „Es ist nie zu spät Feministin zu werden“, meint Lola, es ist nie zu spät, für sich selbst einzustehen. Die Ältere lernt von der Jüngeren, setzt die Grenze für sich selbst, als sie den Vater zur Verantwortung zwingt und befreit sich von belastenden Mann.
Als Zeichen für die Gesellschaft werden vier Frauen zu Rächerinnen unter dem Motto: „Auge um Auge. Zahn um Zahn.“ So bestrafen sie die Männer stellvertretend für die Schmerzen und das Leid anderer Frauen. Ihre Gewalt wird intensiver, härter, köstlicher – bis eines Tages ein Mann fast stirbt oder gestorben ist.
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Mareike Fallwickl hat diese Geschichte feinmaschig gestrickt. Sie schockiert mit dem Balkonsprung der Mutter auf den ersten Seiten des Buches, aber ebenso mit dem Verhalten der Protagonistinnen. Der Vater hat eine Nebenrolle und verweilt im Nichtstun. Das stimmt nicht ganz, er arbeitet und bringt das Geld heim, ansonsten ist er teilnahmslos am Leben seiner verbliebenen Familie. Die generalisierende Verurteilung aller Männer stößt mir auf, jedoch fühle ich mit den Frauen, denen solches gewalttätige Verhalten im wahren Leben widerfährt. Um auf einen Missstand aufmerksam zu machen, ist oftmals eine Überspitzung in der Literatur notwendig. Mich persönlich hat das Buch sehr berührt. Das Lesen dieses Stoffes hat mich dazu gebracht, über die generelle und meine eigene Frauenrolle in der Gesellschaft nachzudenken, und meine Sichtweise zu bestimmten Themen zu reflektieren und zu ändern.

Rowohlt Buchverlag; (22. März 2022)

ISBN: 978-3498002961